Samstag, 5. Oktober 2002

rhetorische fragen gegen rechts

Neulich in Schweden: -Where are you from? -Germany... -Yeah, Germany! Great beer and.. Rammstein! Links ist rechts und umgekehrt Eine faschistoid anmutende Bühnenshow, die Leni Riefenstahl vor Neid erblassen lassen würde, und Texte, die dem drohenden NPD zu trotzen scheinen: Rammstein deshalb aber für nationalistisch zu halten wäre einfach dumm. Sagt eines der Bandmitglieder. Und richtig, wer bisher bei den netten Familienvätern aus Berlin eine latent rechte Gesinnung vermutete, mußte bisher einen Angriff auf die Freiheit der Kunst eingestehen. Dann kam ein neues Album. 'Mutter'. Marschierende Soldaten. Ein schneller Rhythmus. Frenetischer Menschenjubel. Und: Das Herz schlägt Links. Links wzo drei vier. Wie und wo genau das Herz nun schlägt, ideologisch oder biologisch, das sei mal dahingestellt. Sicher ist nur: Die Rammsteiner wissen es selbst nicht so genau. Sagen sie jedenfalls so. Was sie aber wissen ist, dass bestimmte Begriffe und Stilmittel - in diesem Fall Propagandawerk aus dem Dritten Reich - heute Unbehagen hervorrufen. Martialistischer Rock und Heavy Metal scheinen den sechs ehemaligen Ost-Punkern jedenfalls die richtige Verpackung für ihre lyrische Verarbeitung des deutschen Traumas. Die Auferstehung naiver Verse auf Volk, Vaterland und Verliebte wird gleich darauf mit gigantischen pyrotechnischen Effekten und dunkel-düsteren Videos gefeiert. Sie seien Künstler. Und wenn das Publikum auch mal Glatze trägt - mit braunen Nazihorden haben die naiven Rocler nicht viel am Hut. Auf einem Konzert in Amerika wurde ein Arm-reckender Fan schnell des Geländes verwiesen. Man sei da ziemlich rigoros. Die Medien hätten Schuld, die würden immer alles mißverstehen, wo es doch eigentlich gar nichts mißzuverstehen gäbe. Häh? Jetzt also doch Deutschtümmelei? Pro CD seien es außerdem nur zwei bis drei Lieder mit etwas merkwürdigen Texten. Ist das ein Geständnis? Zur Aufklärung tragen die Jungs in ihren Interviews nicht viel bei. Denn: Man solle die Teste nicht so eindimensional sehen. Was denn jetzt? Erst wird überinterpretiert, dann nach zuviel Tiefgang gesucht?

# | 5.10.2002, 18:15 | features

we are the youth

457 Seiten ist sie dick. Die Jugend 2002. Auf dem Buchrücken wird selbstbewusst die Zeitschrift Unicum zitiert: 'Wer wissen will, wie es wirklich um die Jugend steht, sollte sich die Shell-Jugendstudie zu Gemüte führen.' Moment, ist die Veröffentlichung nicht schon eine halbe Ewigkeit (in Netz-Zeit somit 1,5 Ewigkeiten) her? Ja. Aber die 457 Seiten wollen erstmal gelesen werden. 'Die Mentalität der Jugend', steht dort, 'hat sich insgesamt von einer eher gesellschaftskritischen Gruppe in Richtung der gesellschaftlichen Mitte (Mainstream) verschoben. (...) Die auch heute noch häufig geforderte neue Jugendbewegung wirkt (...) anachronistisch. Die Idee von einem selbst bestimmten Leben jenseits von gesellschaftlichen Zwängen, die mit dem Begriff der neuen Jugendbewegung verbunden wurde, passt offenbar immer weniger mit der Lebensrealität und den tatsächlichen Vorstellungen der heutigen Jugend zusammen.' Es hat sich ausrebelliert. Wenn die Eltern früher selber marihuanarauchend auf jeder Demo anzutreffen waren und ihre Blumenkinder eher unkonventionell erzogen, besteht die Rebellion konsequent in Verweigerung selbiger. Ich bin Opportunist, Madame. Die Studie attestiert uns dann auch eine gewisse Affinität zum allgemein vorherrschenden Leistungsdruck in der Gesellschaft. Deren Werte annehmend streben wir, ganz pragmatisch und auf den eigenen Vorteil bedacht, nach Macht und Erfolg. Schließlich dämmert am Horizont für alle anderen die Arbeitslosigkeit. Ein Zitat aus einer anderen Quelle möchte ich an diesere Stelle dann doch noch einbringen: Mädchen wissen bereits frühzeitig, dass sie mehr leisten müssen als ihre männlichen Altersgenossen. Sie werden zu 'sprachbegabten, wendigen, weiblichen Multitaskerinnen, die ihre Zukunft fest im Griff haben, willensstark und ultra-fresh sind. Auf der anderen Seite lümmelt ein Haufen verpickelter Testosteronbomber, die im wesentlichen das Schulmobiliar zerkloppen und auch sonst nix in der Birne haben', analysiert die taz die Ergebnisse der Studie.

# | 5.10.2002, 10:47 | features

du tust mir weh!

Ein Weblog führen? Es ist ein dreckiger Job, aber wir werden ihn tun und sagen: Das hier ist Journalismus, und so wird er gemacht. Und zwar mit Blogs wie SCHLIMM, FRAU UND HUND oder REKTAL AKTUELL. Wer an dieser Stelle schmunzelt hat entweder Schlingensiefs 'Rosebud' gelesen oder hoffentlich andere gute Gründe.

# | 5.10.2002, 10:10 | popup