Wie das nun mal so ist, wenn man einen neuen Mitbewohner für die Wohngemeinschaft sucht und seine Telefonnummer irgendwo online hinterlegt. Besser keine E-Mailadresse, da kommt nur Spam an, nur die Telefonnummer, die sollen direkt anrufen. Jetzt bekommen wir trotzdem Spam. Aufs Telefon. Fast täglich. Marktforschungsinstitute, Gewinnspiele, Tiefkühlkost-Heimservice. Wir habe nicht einmal einen Gefrierschrank.
Mediengruppe „Ey die spielen sonst vor 5oo Leuten“ Telekommander waren in Bremen: Dorfdisko im Gate 48. Leicht fiese elektronische Musik, dazu Gitarre, Bass, und (Sprech-) Gesang. Von zwei Kerlen aus Österreich und Berlin. Wir erwarteten Horden von Design- und Kulturwissenschafts-studenten, waren früh vor Ort, waren etwas verwirrt: Es war kaum jemand da. Sie haben trotzdem gespielt, vor etwas mehr als zwanzig Leuten, sie waren trotzdem freundlich, die Luft war hervorragend.
Es gibt Aufnahmen im Internet (phlow), wie legal die sind – keine Ahnung. Aber die beiden kleinen schnieken EPs sind ausverkauft und das Album erscheint erst im Mai, und das wird dann ja schließlich auch gekauft. Oh, kaufen, auch nett: „Jammert nicht rum, kauft unsere T-Shirts, wir sind hier doch im Westen, ihr habt doch noch Geld, gebt es lieber schnell aus. Wir waren in Dresden, die wollten die T-Shirts haben, hatten aber kein Geld.“ Hätten wir wirklich gerne getan, die nächste Woche auf Lebensmittel verzichtet, aber das schon sehr schöne „Ich mach auch was mit Medien“-Shirt mit Fernbedienungsabbildung war leider aus, Reste in Größe L, aber, das ging dann wirklich nicht.
eine abneigung
Septembertextleiche ausgegraben: Draußen ist es kalt und windig. Menschen mit einem Herkunftsort südlich der Elbe würden vielleicht von Regen faseln, Dreckswetter unterstellen, im Prinzip ist also sehr in Ordnung. Was nicht in Ordnung ist, das ist der 70er Jahre Betonbunker für die Geisteswissenschaften. Zigaretten glimmen. Es darf geraucht werden, es wird geraucht, viel, ständigm, die Asche fällt auf eine Art Teppich, dessen giftgrüne Farbe nurmehr erahnbar ist. Einige Neulinge aschen pflichtbewußt in Pappbecher oder auf Zettel, die liegen überall herum, es hilft überhaupt nichts. Licht gibt es nicht, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Dann erkennt man einige fahle Gesichter vor ihren Notebooks. Dann, in fünf Meter Höhe, vereinzelt 40-Watt Birnen. An Lesen ist hier nicht zu denken. Wenn ich mich hier irgendwo hinsetzen würde, ich hätte übelst bedenken, einzunicken, ein paar Stunden dahinzuvegetieren. Dieses Gebäude ist ein Monster und es ernährt sich von Schlaf und Zigaretten. Mit dem Flucht- Ekel- Würgereflex kommen diese Bilder in meinen Kopf: Eine Universität. Helle, große Räume, angeregte Gespräche, niveauvolle Scherze. Stattdessen jetzt nach Hause und Klamotten wechseln, sonst wird mir noch unterstellt, mich tagsüber in verrucht-verrauchten Kneipen rumgetrieben zu haben. Im Prinzip kommt's auf dassselbe raus.