Freitag, 17. Oktober 2003

popstar goes home

Es ist spät, sehr spät, er würde jetzt gerne nach Hause. Natürlich geht das jetzt aber nicht, die Bahn fährt erst in zwei Stunden wieder, und so kommt er eben mit, kein Problem, hatte sie gesagt, hatten sie gesagt, alles cool, gehn' wir kurz zu mir. Gerade eben waren sie noch zu siebt, ein netter Abend, jetzt waren sie zu dritt und gingen zu ihr. In die Wohnung. Er setzte sich in einen Sessel während sie sich mit ihrem One-Night-Stand aufs Bett schmiß. Der Typ nestelte an der CD-Sammlung und fingerte aus einem großen Stapel schließlich ausgerechnet Bush, er mochte Bush, doch irgendwie nicht jetzt, er hatte sich die Musik immer aufgehoben, Musik für besondere Momente, für schöne Momente, und das hier war ihm noch etwas suspekt. Er wollte nicht einfach, aber doch, ja, schön war es hier nicht. Neben seiner Sitzgelegenheit fand er eine Flasche Rotwein. Drehverschluss, das war gut, er hatte keinen Nerv, jetzt in die Küche, aufstehen überhaupt, er war angetrunken. Angetrunken, nicht betrunken, er sah fassunglos zu, wie sich die beiden Gestalten auf dem Bett ihrer Oberteile entledigten und herumgiggelten. Schön waren weder sie noch der Moment. Komm doch zu uns rüber, sagte der Typ, sie lächelte ihn an, für keinen Bruchteil einer Sekunde dachte er darüber nach, setzte die Weinflasche an, er wollte nichts trinken, er wollte hier weg, draußen war es kalt, noch mehr als eine Stunde, lieber schnell trinken. Jetzt dachte er darüber nach. Alles stimmte. Erstsemester, jung, willig, Experimente - und es gefiel ihm nicht. Es war ihm zu abgefuckt. Er lächelte kurz. Es war ihm zu plump. Während sich die beiden auf dem Bett immer noch näher kamen (noch näher kommen konnten, dachte er), unterhielten sich die beiden ungelenk übers Renovieren. Ihr Absturz war ihnen sichtlich peinlich. Peinlich hingegen war ihnen gar nichts mehr. Er setzte wieder die Flasche an, der Rotwein kuschelte sich an seinen Körper, es lief seine Musik, es war abgefuckt. Nie wieder könnte er diese Platte hören. Er war definitiv im falschen Film. So etwas passiert in miesen Geschichten, oder aber in wirklich, dann aber mit schönen Menschen, mit eleganten Menschen, mit kunstvollen Verführern, mit Wortartisten. Mit Stil.

# | 17.10.2003, 10:45 | semesterticket