Montag, 11. November 2002

post an wagner

Lieber Franz Josef Wagner

Ihre "Bild" lesen täglich viele Millionen Menschen. Das hört sich nach Macht, Kampagnen, Meinungsdiktat an. Aber da in unserem Land jeder lesen und sehen kann, was er will, dokumentieren Ihre Rekordzahlen Volkes Wille. Horror, Terror, abstürzende Flugzeuge, Seuchen, Massaker, Arbeitslose und Boxenluder statt Familiensofa.

Wir haben eine unsägliches Verlangen nach dem Dreck. Da gibt es das 'perverse Geständnis von Mord-Monster Schmökel'. Wie bewegend. Und Anja (25) findet nur Spaghetti Bolognese besser als Sex. Es gibt keine trivialen Dinge, es gibt nur intellektuelle Dummköpfe, die darüber lachen.

Lieber Franz Josef Wagner, Ihre Kolumnen sind Schläge ins Gesicht. Wir alle haben Angst, was aus unserer Welt wird.

Bei Ihnen aber können wir uns sicher sein. Manche wünschen sich bessere Menschen.

Zum Glück haben wir sie.

Nur wenige entfernt von der Vorlage auf bild.de. Zum Textverständnis unbedingt lesen. Foto von mks.

# | 11.11.2002, 14:44 | features

einsames röcheln auf einem baum

Ob es nach dem EU-Beitritt Polens noch irgend jemanden interessieren wird, ob der arbeitslose Schustergeselle René mit dem Schwert nach Polen einmarschiert? Ja, das war 1992 und die Ärzte waren noch Punk. Heute ist Rock'n Roll Realschule. Das letzte bisschen Punk ist die grottige Aufnahmequalität. Nach mehrmaliger Wiederholung entwickelt es einen eigenen Charme. Da geht er hin, der Punk. 'Deine Familie sieht dich noch mal in vollem Ninjadress. Du gehst ins Bett und denkst, morgen wird ein großer Tag.' Ach, hör mir auf, du bist doch gescheitert. 'Keine Freunde, keine Mädchen' mehr. 'Sag, warum René' ist heute eine Abgesang auf die alten Zeiten. Da tat der Rücken auch noch nicht so weh.

# | 11.11.2002, 08:39 | popup

Dienstag, 5. November 2002

alfred döblin verzweifelt

'Es sind Berichte von völliger Wahrheit, ganz und gar nicht wie erfunden, zwar sonderbar durcheinander gemischt, aber von einem völlig wahren, sehr realen Zentrum geordnet. Es haben einige von Kafkas Romanen gesagt: sie hatten die Art von Träumen - und man kann dem zustimmen. Aber was ist denn die Art der Träume? Ihr ungezwungener, uns jederzeit ganz einlauchtender, transparenter Ablauf, unser Gefühl und Wissen um die tiefe Richtigkeit dieser ablaufenden Dinge, und das Gefühl, dass diese Dinge uns sehr viel angehen.' Zitiert nach Klaus Wagenbach "Franz Kafka". Döblin verzweifelt am Genie Kafkas und flüchtet sich in leichte Prosa. Auf den ersten Blick verlockend schön, auf den zweiten geradezu sachlich analysiert. Gerade so bequem, dass man sich ausruhen möchte. Leider liegen noch etliche kg Sekundärliteratur vor mir. 'Dem Hilfesuchenden bleiben [in Anbetracht von rund 11000 Expertenmeinungen] als Fazit nur noch Zweifel', beschreibt es Michael Müller in der Reclam-Interpretation. Der Proceß beginnt.

# | 5.11.2002, 20:08 | features

Freitag, 1. November 2002

so groß wie volkswirtschaften

Umsätze der weltweit größten Firmen im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Eine Grafik aus dem Spiegel, leider schon etwas älter. Und doch:

Firma US$ Umsatz Land US$ BIP
ExxonMobil 210,4 Mrd. Schweden 228,3 Mrd. US$
WalMart 193,3 Mrd. Österreich 190,3 Mrd.
Ford 180,6 Mrd. Polen 160,8 Mrd.
General Motors 184,6 Mrd. Dänemark 162,3 Mrd.
Daimler Chrysler 150,1 Mrd. Indonesien 153,7 Mrd.

Quelle: IMF 2001, Fortune 500 2001. Mittlerweile hat WalMart mit einem Umsatz von rund 220 Mrd. US$ übrigens Exxon Mobile überholt, deren Umsatz ist nun bei 191 Mrd. US$.

# | 1.11.2002, 10:22 | popup

Donnerstag, 31. Oktober 2002

i just want to apologize to josh's mom, and mike's mom...

Im November 1999 lief ein Film in den Kinos, der es wirklich in sich hatte: Blair Witch Project. Heute abend auf ProSieben, die deutsche Version, das ist wirklich zum heulen. Flashback. Hamburg, das Streits, zusammen mit etwa 30 anderen Zuschauern habe ich eben die englische Version gesehen. Draußen wird es langsam dunkel, es regnet leicht, ein scharfer Wind weht über die Innenalster. Verstört ein paar Schritte hier hin, dann dort rüber. Einige Sekunden inne halten. Zusammenreißen. Einen Kaffee trinken. Tief durchatmen. In die U-Bahn. Es ist nur ein Film. I'm scared to close my eyes. I'm scared to open them.

# | 31.10.2002, 20:10 | popup