Sonntag, 29. Januar 2006

(1) Die Mitbewohnerin, sie studiert die Kulturen, erzählt von der Demut. Im Prinzip erfunden, damit die wilden Gesellen des Nordens der Kirche Respekt zollen, obwohl bei Ihnen mehr so was mit Mut, Heldentum und Tapferkeit angesagt war – der Klang des Wortes sollte die Buckelei vor der Kirche erträglicher machen, Demut, da schwingt Ehre mit, da konnotiert wahre Größe. Okay, also kommt der folgende Absatz ohne das D-Wort aus:

(2) Es sieht noch einmal anders aus als gestern, da war es kalt, heute ist es kälter. Minus zwölf Grad sind es da draußen, der mikrobielle Stoffwechsel macht da nicht mehr weiter, ein bisschen chemische Verwesung, das ist alles. Im Laufe des Tages dann irgendwann um den Gefrierpunkt, ja Wahnsinn, Wetter als Thema. Du, ist es bei Euch eigentlich auch so kalt? – Nee, hier frierts nur. – Ah ja. Ja. – Ja gut, ne, und das soll ja so weitergehen, nech? Der Bildschirm-Arbeiter in mir fragt sich unterdessen, wer denn draußen die Farbsättigung so dermaßen runtergedreht hat. Guter Effekt, so mit den einsetzenden Sonnenstrahlen, die ein wenig kalte Farbe ins Graue werfen. Denke ich das wirklich? Nein. Natürlich nicht. Ich sehe nach draußen, und es saufen mir die Augen ab, schön ist es, sonst nichts, da braucht es keine Worte, bin ja schließlich auch kein Literat. Dankbare Zeit zum Arbeiten, so ein kalter, klarer Sonntag.

(3) Die Kleidercontainer sind so voll, die Häuser- und Kleiderbesitzer haben ein Mitgefühl den Menschen der Straße gegenüber, hier, nehmt noch diesen alten Pullover, es ist ja kalt draußen.

(4) Jogger auf dem vereisten Weg im Naherholungsgebiet. Wenn der jetzt ausrutscht und sich den Knöchel bricht, wie viel Zeit bleibt ihm dann, um irgendwohin zu krabbeln? Friert er irgendwann fest? Nein, natürlich nicht. Gute Kondition, Multifunktionskleidung, kein Alkohol im Blut. – Ja gut, ich mach mir halt Sorgen. – Lächerlich!

# | 29.1.2006, 09:50 | popup